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Täglich 40 000 " Negerküsse " aus Waltenschwil

Badener Tagblatt vom 20.04. 1985 von Peter Breitschmid

Unternehmen im Freiamt: Robert Dubler AG ,führend in der Mohrenkopfherstellung

Aufgabe unserer BT-Serie " Unternehmen im Freiamt " soll auch sein, zu beweisen, wie viele Spezialitäten in diesem  Freiamt hergestellt werden. In Waltenschwil zum Beispiel verlassen 40 000 Mohrenköpfe, im Volksmund liebevoll " Negerküsse " genannt, das Confiserie-Unternehmen Robert Dubler AG. Mohrenköpfe zu fabrizieren braucht einiges Know-how. Das hat unser Besuch erkennen lassen. Und nur der hält mit, der äusserst rationell fabriziert. In Waltenschwil hat die Rationalität einen hohen Standard erreicht. " Ich bin aber noch nicht ganz zufrieden. Ich rationalisiere weiter ", meinte der junge Unternehmer Robert Dubler (38), der zusammen mit seiner Mutter Frieda das hochspezialisierte Unternehmen führt. " Mehr als 40 000 Mohrenköpfe im Tag wollen wir nicht herstellen. Für unseren Betrieb ist die Wachstumstheorie falsch. Ich glaube an eine optimale Herstellungund an eine optimale Qualität, nicht aber an das unbegrenzte Wachstum." Dubler ist ein Anhänger des qualitativen, nicht aber des quantitativen Wachsens. " Mohrenkopf ist nicht Mohrenkopf. Nur der mit dem besten Schoggi-Hut ist ein richtiger Mohrenkopf." Und weiter: " Man muss seine Grenzen kennnen. In meiner KV-Lehre in Wohlen habe ich gelernt, wohin es führt, wenn man diese Grenzen nicht kennt ..."


Robert Dubler glaubt, dass die Gefahr gross sei, wenn ein kleineres Unternehmen zu stark expandiere, zu viel Fremdkapital brauche, dabei seine Unabhängigkeit verliere und so in den Sog der Grossen komme. Die Unabhängigkeit zu bewahren, das ist ein Leitprinzip der Dubler AG. " Es gibt eine Theorie, das ' Peter-Prinzip '. Jenes Buch, das beweist, dass man jenen Punkt gar nicht erfassen könne, wo man vor lauter Expansion die Dinge nicht mehr im Griff hat, wo man nicht mehr fähig ist, die  Umwelt zu meistern. Hinaufkatapultieren bis zur Unfähigkeit." " Wichtig ist nicht die Grösse, sondern das Wie, wie man seine Aufgabe löst." Robert Dubler doziert seine Theorien mit leuchtenden Augen, mit überzeugender Stimme. Er weiss, wovon er spricht. " Und das wichtigste im Leben ist, etwas zu machen, das man gerne macht, das man im Griff hat."


Faszinierende Fabrikation


In Waltenschwil entstehen die 40 000 Mohrenköpfe pro Tag auf einer eindrucksvollen Fabrikationsstrasse. Das Ausgangsprodukt ist das Eiweiss, das kristallisiert eingekauft wird. Automatisch wird dieses Eiweiss geschlagen und Zucker und Glykose beigegeben.Die Dressiermaschine gibt dem Mohrenkopf dann automatisch die gewünschte Form. Ein Kunststück liegt darin, dass alle genau gleich gross sein müssen. Ist dies nicht der Fall, so entstehen grosse Schwierigkeiten bei der automatischen Abpackung. Von äusserster Wichtigkeit ist der Schokoladeüberzug. Bei den " Mohrenkopf - Dublers " wird nur beste Schokoladequalität verwendet. Früher machte man diese Schokolade selber. Jetzt kauft man sie bei einem Toplieferanten ein. " In der richtigen Qualität und natürlich auch in der ' richtigen ' , in ' unserer Mischung ' liegt die Basis zu einer erstklassigen Qualität, zum Mohrenkopf vom Mohrenkopf - Dubler, der in der ganzen Schweiz zu einem Begriff geworden ist ", erklärte Robert Dubler dem BT.


Alles begann mit einem Gäbeli in einer Waschküche


Frieda Dubler, die Gattin des Gründers des Unternehmens, zeigte mit viel Stolz ein bescheidenes Gäbeli. " Mit diesem Gäbeli begann es 1946 in einer Waschküche in Wohlen. Mein Mann und ich begannen ganz allein, machten alles von Hand und brachten immerhin mit Handarbeit 4000 Mohrenköpfe pro Tag heraus ! Da gab es noch keine Dressiermaschine, nur den altbewährten Dressiersack." Robert Dubler senior verstarb leider viel zu früh (1974 erst 61jährig). Er war ein gelernter Konditor mit Erfahrungen in den allerbesten Häusern wie Honold in Zürich, Hanselmann St.Moritz, Hugen in Lugano, Simmen, Arosa. Zuerst begann man mit einer Waffelfabrikation. Und da hatte plötzlich ein Kunde einen Sonderwunsch, und man entdeckte den Mohrenkopf, 1953 zog man von Wohlen nach Waltenschwil in den jetzigen Neubau. Und konsequent ging man den Weg vom Handbetrieb, vom Dressiersack zur  Vollautomatisierung, die auch eine automatische Verpackung in eine Aluminiumfolie einschliesst.


Von der zweiten Liebe, dem Chevi, viel gelernt


Die zweite Liebe nach dem Mohrenkopf von Robert Dubler junior ist der Chevrolet. Vater Dubler war ein grosser Pferdefreund. Dem Sohn Dubler ist  der Chevrolet lieber. Mit seinen Chevis bestritt er bereits 12 Rundstreckenrennen. Das Hobby, das Herumbasteln am Auto, hat Robert Dubler eine wichtige Erkenntnis gebracht: die Wichtigkeit der Unabhängigkeit von Monteuren. Darauf ist er besonders stolz: Seit Jahren war kein Monteur mehr im Mohrenkopfwerk. Pannen behebt er selber. Und auch die Wartung ist sein Bier. " Das spart Ausfallzeit und unglaubliche Monteurrechnungen. " Und Robert Dubler geht in seiner Theorie weiter. Die Mohrenkopf fabrikation sei so spezifisch, dass es fast keine spezifischen Maschinen gibt. Deshalb wird der modernste Kühlkanal und die allermodernste Dressiermaschine (jene, welche die Mohrenköpfe " giesst " und alle ganz genau gleich gross) in Waltenschwil gebaut.


. . . und dabei Kaufmann gelernt


Robert Dubler ist heute nur noch 10 Prozent Kaufmann und 90 Prozent Techniker. " In meiner Lehre in Wohlen aber habe ich viel gelernt. Ich habe gelernt, wie man es nicht machen soll. Am besten ist es doch, wenn man schlechte Erfahrungen nicht selber machen muss. " Robert Dubler machte es spannend. Er wollte vorerst den Wohler Lernplatz nicht preisgeben: Im ersten Lehrjahr lief's normal, das zweite Jahr war die EDV-Einführung und das dritte das komplette Chaos. . . bei Georges Meyer und Co. AG in Wohlen... Ich war, glaube ich, der zweitletzte Lehrling dieses stolzen (zu stolzen) Unternehmens! " ...Aber, es war für mich eine gute, sehr gute Lehre. Ich habe für mein ganzes Leben viel gelernt, eben, es sei wiederholt, vor allem, wie man es nicht machen soll . . . ", fügte Dubler nachdenklich und dann verschmitzt lachend bei.


Die Mär vom bösen Mohrenkopf


Er sei nicht gut für die Zähne, heisst es immer wieder vom Mohrenkopf. Das wird in Waltenschwil energisch bestritten. " Wenn man die Zähne gut reinigt, dann ist der Zucker kein Problem. Zudem haben wir Zucker teilweise durch dass ' zähnefreundliche ' Sorbit ersetzt. "


Vollauslastung


Wenn ein Unternehmer träumt, dann träumt er von Vollauslastung. Seit fünf Jahren kennt man in Waltenschwil diesen Traum: totale Vollauslastung. Selbst die Sommerpause, jene Phase, als die Leute keine Mohrenköpfe wegen der Hitze mochten, kennt man heute in Waltenschwil nicht mehr. Der Mohrenkopf ist ein Ganzjahres-Produkt geworden. Geliefert wird an Grossisten und an einige Grossverteiler. Denner und Migros aber werden nicht beliefert. Warum? Eine Frage der Geschäftsphilosophie. Man will unabhängig bleiben, auch vom Kunden, und deshalb darf es keinen Kunden geben, der mehr als 10 Prozent vom Ausstoss bezieht!


Auch das Freiamt ein " 10prozentiger " Abnehmer


Wenn Kinder eine Party haben, dann gehen sie hinauf nach Waltenschwil und kaufen Mohrenköpfe ab Fabrik. 10 Prozent gehen über die Gasse ins Freiamt, das sind immerhin rund 4000 pro Tag! Nirgends werden so viel Mohrenköpfe gegessen wie im Freiamt! Man weiss aber in dieser Gegend die Dubler-Mohrenköpfe besonders zu schätzen, denen man eine gute Prognose geben darf. Vollrationalisierung und eine gute Geschäftsphilosophie sind eine gute Basis. So fasste Robert Dubler zum Abschied seine Geschäftsphilosophie zusammen: " Man kann nur das gut machen, was man gerne macht. Ich mache leidenschaftlich gerne erstklassige Dubler-Mohrenköpfe. Und es macht mir Spass, nicht nur gute Mohrenköpfe zu machen, sondern diese auf rationellste Art zu fertigen, wie von Geisterhand geschaffen. Das ist eine Herausforderung auch die macht mir Spass. " Und auf der Heimfahrt biss ich in einen Dubler-Mohrenkopf. Der Effekt war doppelt: Mein Gaumen war zufrieden, und ich fühlte mich rund 50 Jahre jünger, zurück in die Kindheit versetzt. Und meine Kindheit ohne Negerküsse, die könnte ich mir gar nicht vorstellen.