(placeholder)
Press TCS

Ja, ich weiss. Ich bin nicht die älteste, und wohl auch nicht die schönste Corvette.
Da ich erst im Frühling 1968 gebaut wurde, schmücken mich zwar noch nicht 50
"Jahrringe" wie die ältesten Corvettes, doch immerhin habe ich viel zu erzählen.



Die Reihe wichtiger Menschen in meinem Leben beginnt mit dem Corvette-Übervater
Zora Arkos-Duntov und wird wohl mit Robert Dubler enden, Fabrikant süsser, mit
Schokolade überzogener Schaumküsse.



Schmerzliches Ende der Träume



Schon mein erster Ernstkampf beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1968 endete im Desaster. Ich fuhr für das berühmte Schweizer Rennteam Scuderia Filipinetti aus Genf, als am frühen Morgen des 29. September 1968 ein Unfall meine Karriere als Rennwagen vorzeitig zu beenden schien. Mein Pilot war zu diesem Zeitpunkt Sylvain Garant, er verlor in der Dunlop-Rechtskurve gleich nach der Start-Ziel-Geraden die Kontrolle über mich. Das Verdikt in der Schlussrangliste: 14 Stunden Rennzeit, 157 Runden; "DNF" (Did Not Finish - nicht im Ziel).
Dabei war doch alles perfekt: Corvette-Motoringenieur Arkus-Duntov selbst leitete das Projekt, einer der Fahrer sollte das französische Ski-As Jeaan-Claude Killy sein, und meine Schrauben zog als Team-Mechaniker das heutige Design-Genie Franco Sbarro an. Nun fehlten mir vom Unfall Front und Heck - wie ein Wunder trug Garant fast keinen Kratzer davon. zum Glück kannte der Tüftler Sbarro meine Stärken, und flickte mich wieder zusammen. Schliesslich wartete Grosses auf mich, ich sollte zum Film.



Eine Filmkarriere in Aussicht



Hollywood-Star Steve McQueen, er fuhr selbst Rennen, wollte den "24 Stunden" ein filmisches Denkmal setzen. Zwar wurden für den Spielfilm "Le Mans" die Rennen von 1969 und 1970 gefilmt, doch für die Produktion 1971 fehlten McQueen und Regisseur Lee H. Katzin die Boliden. Mit der Beschaffung der Rennwagen war Jo Siffert, der grosse Schweizer Pilot betraut. Sbarro kannte Sifferts Pläne, und verkaufte mich an den Freiburger. Für den Film wurde ich gelb lackiert, die Farbe des französischen Greder Teams, für das ich im Streifen an den Start ging.



Von Rennfahrer zu Rennfahrer



Doch nichts war mit Hollywood und einem Stern auf dem "Walk of Fame"; Siffert verkaufte mich 1971 an den Schweizer Piloten Joe Kretschi. Dieser fuhr gegen Porsches und Ferraris in der Schweizer Meisterschaft. Zwei Saisons später schrieb mich Kretschi zum Verkauf aus, weitere Besitzer waren die Schweizer Rennfahrer Walter stierli und Bruno Gerber. Schliesslich konnte mich im September 1976 Robert Dubler für 20 000 Franken kaufen.



Schon wieder ein "Fehlstart"



Nur wenige Wochen bei Dubler, wollte dieser mit mir in Hockenheim starten, doch im Training des 3-Stunden-Rennens erlitt ich Motorschaden. Dabei hatte der damals knapp 30-jährige Rennfan noch speziell den für die Rennteilnahme notwendigen Lizenz-Kurs besucht. Der Defekt war für Dubler Anlass, mich gründlich zu überholen. Bis in meine innersten Bestandteile wurde ich monatelang zerlegt, gereinigt, revidiert und wieder zusammengebaut. Ich dankte Robert Dubler diese lang ersehnte Kur im September 1978 mit einem Rennerfolg auf dem Hockenheimring, beim ersten gemeinsamen Start.



Wieder zurück nach Le Mans



Zwischenzeitlich gab es auch unangenehme Abenteuer, so einen glimpflichen Rennunfall in Oesterreich 1984. Doch heute bin ich Dank der Fürsorge Robert Dublers gut im Schuss und feiere das Jubiläum 50 Jahre Chevrolet Corvette mit.
2004 will Dubler mit mir am Classic-Rennen in Le Mans starten. Mit 36 Jahren beim "alten Eisen", ich trage es mit Fassung. Wie sagte doch SteveMcQueen in der Schlusszene des Le-Mans- Films: "Rennen ist Leben - alles as davor oder danach sein wird, ist Warten."


TCS Zeitung Nr. 11/03 vom 26.6.2003 von Martin Michael Mäder